Istanbul – Izmir

Busraststaette

Irgendwann muss ich Istanbul ja mal verlassen und so mache ich mich am letzten Abend des Bayram auf den Weg Richtung Izmir. Zum Ende der Feiertage reist das ganze Land wieder von ihrer Familie zurueck zum Arbeitsplatz oder dem Studienort. Nicht einfach einen freien Platz in einem der Reisebusse zu bekommen. Mit dem Zug reist man in der Tuerkei recht selten. Die meisten Leute reisen mit dem Bus. Ein exzellentes Netz an Reisebussen und lokalen kleinen Dolmus bringt einen billig ueberall hin. In den Reisebussen wird mindestens 2 mal Kaffee und Wasser gereicht und ein kleines Stueck Kuchen oder Cracker. Dann reinigt man sich die Haende mit einem Eau de Cologne, dass einem der Steward in die Hand spritzt. Einige Firmen bieten sogar kostenloses Onboard-Wlan an, in nahezu allen Bussen muss man eine halbe Stunde schreiend vorgetragene “Nachrichten” und tuerkische Serien alleruebelster Qualitaet auf dem Bordfernseher ertragen. Hat der Bus keinen Fernseher foltert man mit tuerkischer Popmusik. Genauso effektiv.

Am Busbahnhof geht die richtige Tuerkei los. Niemand spricht englisch. Und trotzdem versucht jeder zu helfen. Ein aelterer Mann – Doenerverkaeufer, wie sich spaeter herausstellt – nimmt mich unter seine Fittiche. Er gibt mir Tee aus und brabbelt einfach immer weiter in Tuerkisch auf mich ein. Dabei schuettelt er mir minutenlang die Hand, legt mir den Arm um mich, klopft mir auf die Schulter und laechelt mich mit seinen Goldzaehnen an.

Im Bus mache ich Bekanntschaft mit einem 21jaehrigen Soldaten. Er beherrscht etwa 10 Worte Englisch und ich 4 Worte Tuerkisch. Trotzdem unterhalten wir uns mit Gesten bis spaet in die Nacht. Nur das Thema Hitler (“good, good”) muss ich umschiffen. Die Ueberlandbusse machen immer in etwa der Haelfte der Strecke an einer Raststaette Halt um die Leute piseln und essen zu lassen. Der Soldat gibt mir eine Suppe und Kaugummis aus.

Frueh morgens erreichen wir, nach viel zu wenigen Stunden Schlaf, den Busbahnhof (Otogar) Izmir. Wegen Bayram ist die Hoelle los. Hunderte Leute, bepackt wie Lastesel mit Riesentonnen Oliven, grossen Buendeln Textilien. Und alle warten auf die Serviceshuttle (Servis) in die Stadt. Unbeschreibliches Chaos: Hupende Taxis, die sich durch die Menge druecken, schreiende Einweiser, hin-und herlaufende Leute auf der Suche nach dem richtigen Bus. Nach einer halben Stunde kommt mein Shuttle und ich steige ein. Ich bin nicht der Einzige. In den 24sitzigen Kleinbus sind insgesamt ueber 50 Leute gequetscht. Mit dem schweren Rucksack auf den Knien sitze ich ans Fenster gedrueckt. Unmoeglich, jemand Englischsprachiges zu finden und nach dem Halt zu fragen. Langsam leert sich der Bus jedoch an scheinbar zufaelligen Stops und irgendwann komme ich in dem offenbar sehr unbekannten Stadtviertel meines Couchsurfing-Hosts an.

Frohes Neues!

Ich weiss, ich war in letzter Zeit etwas nachlaessig mit dem Schreiben, das heisst aber nicht, dass ich nicht Tagebuch geschrieben habe. Ich warte auf einen regnerischen Tag und dann werde ich euch mit einem Haufen Reiseberichten aus der Suedtuerkei und aus Syrien versorgen. Es gibt auf jeden Fall einiges zu berichten. Bis dahin wuensche ich euch allen ein frohes neues Jahr. Ich hoffe, dass euch das naechste Jahr mindestens genauso viele neue Erfahrungen bringen wird, wie mir.

Bis bald!

Andi

Istanbul – Bayram Kurdun

Verarbeitungskette

Disclaimer: Wer schwache Nerven hat, sollte die folgende Schilderungen vielleicht besser nicht lesen.

Weitere Fotos finden sich auf http://www.flickr.com/photos/derkoenig/

Am ersten Tag des muslimischen Opferfestes Bayram Kurdun mache ich mich frueh auf den Weg, um etwas von den Festlichkeiten mitzubekommen. Die Tradition will es, dass anlaesslich dieses viertaegigen Festes, Schafe, Ziegen und Kuehe geschlachtet werden und ein Teil des Fleisches den Armen zugute kommt. Der Ursprung dieses Brauches geht auf Abraham, der auch in der muslimischen Religion verehrt wird.

Da inzwischen das Schlachten auf offener Strasse verboten ist, gehen wir in das aermere kurdische Viertel der Stadt, noerdlich von Istiklar, der immer lebendigen Flaniermeile. Eine andere Welt. Abseits von den Touristenstroemen in Sultanhamet und der Taksim-Gegend herrscht hier ein ganz anderer Flair. Massenhaft Kinder spielen in den dreckigen Strassen, ueberall ueber die Strassen haengen Waescheleine, junge Maenner haengen gelangweilt herum oder stehen vor ihren Geschaeften. Wir biegen um eine Ecke und da ist er, unser erster Kontakt mit dem Brauchtum. Eine Gruppe Frauen zerlegt einige frisch geschlachtete Ziegen. Die eine entleert den Darm, die andere haeutet eine andere Ziege, eine dritte hackt einer weiteren gerade den Kopf ab. Blut fliesst ueber die Strasse. Ein abgeschlagener Kopf liegt wie weggeworfen auf der Tuerschwelle. Als die Maenner uns Fleisch verkaufen wollen und zu aufdringlich werden, ziehen wir weiter.

 

Im anderen kurdischen Stadtteil jenseits der Atatuerk-Bruecke ist das Opferfest noch viel deutlicher zu spueren. Ueberall werden lebende Schafe und Kuehe verkauft. Normale Teestuben werden zu Staellen umfunktioniert. Immer wieder trifft man auf Leute, die grosse Plastiktueten voller Fleisch nach Hause schleppen.

In einer Nebenstrasse sehen wir im Hof einer Autowaescherei eine angebundene Kuh. Eine Gruppe Maenner steht erwartungsvoll um sie herum. Als wir interessiert stehenbleiben, wird das Tor geschlossen. Man will aber nicht unhoeflich sein und fragt uns, ob wir die Schlachtung sehen wollen. Nach einem kurzen Zoegern betreten wir den Hof. Hinter uns schliesst sich die metallne Tuer. Der bullige Schlachter, blutverschmiert,  Gummistiefeln, zwei Messer in einer hoelzernen Scheide isst ruhig sein Kebapsandwich zu Ende. Gespanntes Warten. Auch die anderen scheinen ein wenig nervoes. Die Kuh spuert die Spannung, scharrt mit den Hufen, bruellt immer wieder und versucht sich loszureissen. Rechts von ihm an der Wand liegen schon die abgetrennten Hufe seiner Vorgaenger. Der Schlachter hat aufgegessen. Es geht los. Er und sein Gehilfe faedeln ein Seil durch die Schlaufen an den Beinen des Tieres und muessen dabei immer wieder vor dessen verzweifelten Tritten zurueckweichen. Ihre Augen werden mit einem Tuch bedeckt. Dann wird das Seil zugeworfen, die Kuh stuerzt zur Seite und blitzschnell stuerzen sich mehrere Maenner auf sie und halten sie am Boden. Jetzt schreit sie nicht mehr. Die Nervositaet der Maenner um uns steigt. Dann beginnen alle laut zu beten. Allah, allah, allah… Spannung in der Luft durch das Gebet zu einer Art Trance gesteigert. Der Schlachter setzt das Messer an und in einigen schnellen kraeftigen Schnitten schlitzt er den Hals der Kuh tief auf. Blut spritzt gegen die Wand. Warme rote Bruehe laeuft in die Kanalisation. Die Kuh roechelt. Jeder Atemzug ein tiefes Schnaufen, ein Fauchen, das feucht aus der offenen Kehle des Tieres dringt. Blut im Takt des Pulses.  Langsam weichen die Maenner zurueck und beobachten still das blutende Tier. Schnaufen. Nach einiger Zeit wird die Augenbinde abgenommen und die Kuh versucht mit schwaecher werdenden Kraeften aufzustehen, sie dreht den Kopf, baeumt sich auf, die Kehle 10cm tief aufgeschnitten und weit auseinanderklaffend. Wir gehen.

Rituelle Schlachtung

Istanbul – Schnipsel 1

Mein Couchsurfing-Host Mehmet faehrt uns in seinem Golf ueber die Autobahn zur Metrostation. Ein paar Sekunden zu spaet mache ich ihn darauf aufmerksam, dass wir gerade unsere Ausfahrt verpassen. Er haelt kurzerhand auf dem Seitenstreifen und setzt 50m zurueck um richtig abzubiegen.

” If you would do this in western europe, you would definitely loose your driving license.” – “Ohhhh, really? But it was only the service way and not the normal highway.”